IT-Executive Club | An der Alster mit Christian Pfromm

In unserem „An der Alster-Talk“ präsentieren wir in regelmäßigen Abständen Mitglieder des IT-Executive Clubs in einem kurzen Interview. Dabei stellen wir den CIOs aus dem Norden Fragen zu ihrer Arbeit oder ihrem Unternehmen und bitten um ihre Einschätzung zum IT-Standort Hamburg und zum IT-Executive Club.

In dieser Ausgabe sprachen wir mit Christian Pfromm, CDO der Freien und Hansestadt Hamburg und Vorstandsmitglied des IT-Executive Club, am Steg an der Alster über seinen Weg in die Informationstechnologie, die entscheidenden Eigenschaften eines erfolgreichen CIOs und seine Gedanken zur Hansestadt.


 

Name: Christian Pfromm

Unternehmen: Senatskanzlei Hamburg, Amt für IT und Digitalisierung

Im Amt für IT und Digitalisierung der Senatskanzlei Hamburg tragen derzeit über 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu bei, dass die Chancen der Digitalisierung für die Stadt genutzt werden. Dabei geht es zum Beispiel um innovative und anwenderfreundliche Dienstleistungen für die Einwohnerinnen, Einwohner und Unternehmen. Hinzu kommen die Anforderungen, die an die Ausstattung der Arbeitsplätze von rund 72.000 Beschäftigten der Stadt Hamburg gestellt werden, um zeitgemäß und zukunftsorientiert zu handeln.

Position: Chief Digital Officer (CDO)

 

Interview geführt von: Anna Massing


Lieber Christian, erzähl doch mal: Was hat dich zur IT gebracht? Warst Du schon immer im IT-Bereich tätig? 


Mein Interesse an Technik wurde schon in Kindheitstagen geweckt. Mit Fischertechnik (nicht Fisher-Price) und Lego wurden Grundsteine gelegt, die in der Schulzeit in elektrischen Basteleien mündeten. Ich wollte immer verstehen, wie Dinge in Theorie und Praxis funktionieren. Zum Leidwesen meiner Eltern wurden dabei oft Geräte zerlegt – aber glücklicherweise dann auch wieder zusammengesetzt. Ein Highlight war mein erster Computer, ein ZX81, den ich mit Begeisterung zusammenlötete und der mir gute Dienste erwies.

Mit dieser „Vorgeschichte“ kann ich sagen, dass es eine logische Konsequenz war, dass ich nach meiner kaufmännischen Ausbildung meinen beruflichen Weg in der IT fand. Das Arbeiten am Puls der Zeit und an strategischen Lösungen macht für mich den Reiz aus. In verschiedenen Positionen im Bankengewerbe habe ich Modernisierungen mitgestaltet.


Als CDO der Freien und Hansestadt Hamburg liegt Dein Fokus auf der digitalen Transformation der öffentlichen Verwaltung. Welche konkreten Initiativen oder Projekte hast Du bisher angestoßen, um diesen Transformationsprozess voranzutreiben?


Ausgangspunkt für meine Arbeit ist die „Digitalstrategie für Hamburg“, die umfassend alle Bereiche des Gemeinwesens im Blick hat. Digitalisierung steckt in nahezu allen Lebensbereichen und ist gekommen, um zu bleiben. Und sie wird sich stetig weiterentwickeln – viele Potentiale sind also noch nicht ausgeschöpft. Seht es mir nach, wenn ich nur einige Projekte herausgreife, die exemplarisch für viele Aktivitäten und Lösungen stehen.

Die Ideen.Werk.Stadt ist ein Beispiel, das zeigt, dass Verwaltung Transformation kann. Verschiedene Verwaltungseinheiten – Personalamt, Finanzbehörde und Senatskanzlei – haben sich zusammengeschlossen, um in einem Joint Venture agile Arbeitsformen zu erproben, Ideen auf dem Weg zum Prototyp zu entwickeln und wichtige Impulse für die gesamte Verwaltung zu setzen. 

Mit GovTecHH stellen wir die Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung und Unternehmen auf ein neues, bis dahin nicht dagewesenes Level. Im Fokus sind Start-Ups, die Innovationen entwickeln, die der Verwaltung hilfreich sein können. Hier geht es zum einen um eine Vernetzung mit der Szene und darum, den Spirit, der dort vorherrscht, in die Verwaltung zu holen.

Mit dem Projekt MODUL-F (Modulare Lösung für Fachverfahren) gehen wir noch einen Schritt weiter. In einigen Bereichen der Verwaltung lohnt es sich nicht, mächtige Fachverfahren einzukaufen oder zu entwickeln. Hier bieten wir mit MODUL-F eine Low-Code-Entwicklungsplattform, die auf Anforderungen und Bedarfe der Verwaltung spezialisiert ist. Hamburg setzt dabei nicht nur auf eine innovative Idee, sondern ganz klar auf Kooperation. Die Umsetzung erfolgt daher gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium. 


Welche Hindernisse oder Bedenken hast Du möglicherweise bei der Umsetzung erlebt und wie bist Du damit umgegangen?


Es ist immer einfach, von außen auf die Verwaltung zu schauen und zu meinen, es müsste alles besser laufen. Dabei habe ich mich – vor meiner Tätigkeit für die Stadt – auch ertappt. Die Rahmenbedingungen müssen aber beachtet werden: Die Verwaltung steht beispielsweise für einen wirksamen Datenschutz und hohe Verlässlichkeit. Verschiedene Disziplinen (Organisation, Personal, Digitalisierung, Mitbestimmung) müssen ineinandergreifen, um gute Lösungen und Akzeptanz zu schaffen. Zudem kann die Verwaltung nicht auf jeden Trend aufspringen, der die Gesellschaft erfasst. Wir haben auch eine besondere Verantwortung, was die digitale Souveränität angeht und behalten dabei das Geld der Steuerzahler im Blick.

Ich nehme in der Verwaltung eine hohe Bereitschaft zu Kulturwandel und Transformation wahr. In der Verwaltung arbeiten viele hochmotivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bereit sind, Innovationen und Veränderungen auch fachübergreifend zu wollen.

Es ist uns gelungen, mit neuen Strukturen wie Digitalisierungsgremien und neuen Formen der Zusammenarbeit Impulse in die Breite zu bekommen, die die Verwaltung modernisieren und nachhaltig verändern werden. Für uns hat sich gezeigt, dass Transparenz und Kommunikation auf dem Weg in die digitale Zukunft eine besondere Rolle spielen. 


Was ist entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung eines IT-Transformationsprozesses? 


Wir müssen uns immer wieder fragen: Was ist unser Auftrag? Und dies auch klar kommunizieren. Hinter dem etwas abgedroschenen Ausdruck „Digitalisierung ist kein Selbstzweck“ steckt eine Selbstverpflichtung, die uns daran erinnert, für wen wir die Verwaltung modernisieren und für wen wir die Online-Services entwickeln. Wir lassen uns hierbei auch von bestehenden Strukturen und Regelungen nicht aufhalten, sondern hinterfragen diese – alles muss auf den Prüfstand! 

Es nützt nichts, wenn wir ausschließlich von der Technik herkommen und versuchen diese zu implementieren. Die Stakeholder spielen ebenso eine Rolle wie die Mitarbeitenden. Alle müssen ins Boot geholt werden, um eine große Wirkung auf allen Ebenen zu entfalten. Das Arbeitsleben verändert sich, hier sind wir gut aufgestellt und bieten professionelle Seminare an, die als Unterstützung bei der Transformation eine wichtige Rolle spielen. Last but not least müssen wir uns den Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen gegenüber öffnen. Netzwerke und Beteiligung zeigen, welche Erwartungen es an eine moderne Verwaltung gibt, aber auch, dass Verständnis vorhanden ist, dass die Modernisierung der Verwaltung länger dauert, als wenn ein Unternehmen neue Produkte herausbringt. Digitalisierung ist ein dynamischer Prozess und es ist wichtig, die unterschiedlichen Zielgruppen und Interessen im Blick zu behalten. Kommunikation ist unerlässlich und geht über das reine Informieren weit hinaus. Die gesamte Palette der Kommunikation muss daher eingesetzt werden, um für Akzeptanz zu werben. 


Welche wesentlichen Attribute sind für einen erfolgreichen CDO von Bedeutung?


Da muss ich eine Vorbemerkung machen, denn für mich ist Digitalisierung Teamsport und jeder trägt seinen Teil dazu bei, dass eine Organisation fit für die Zukunft wird. Damit meine ich: Es geht um Transformationsbereitschaft. Das Umfeld muss offen für Veränderungen sein, so dass Innovationen auf guten Nährboden fallen. Die Hamburger Verwaltung ist in dieser Hinsicht gut aufgestellt.

Aufgrund meiner Expertise sehe ich mich als Vermittler zwischen den Welten. Ich habe in meinem vorherigen Berufsleben viele Erfahrungen gesammelt, die so in der Verwaltung nicht überall vorhanden sind, ich schließe also eine Lücke. Es war eine bewusste Entscheidung dieses Know-how in die Verwaltung zu holen und ich setze mich gerne für eine moderne Verwaltung ein.

Managementkompetenzen zahlen sich aus, sind aber nicht allein der Schlüssel zum Erfolg. Nach mehr als fünf Jahren im Amt für IT und Digitalisierung kann ich sagen, dass viel mit dem Mindset einher geht. Die Aufgaben eines CDO erfordern es, offen für Entwicklungen und Innovationen zu sein. Es ist wichtig, mit Verständnis verschiedene Disziplinen zusammenzubringen und zu orchestrieren, um den Herausforderungen von Technik und Gesellschaft gerecht zu werden. Dies bedeutet auch hartnäckig zu sein, um Themen zu durchdringen und ebenso eine Fehlerkultur zuzulassen und zu neuen Ansätzen und Lösungen zu kommen. Mein Vertrauen den Mitarbeitenden gegenüber und das mir entgegengebrachte Vertrauen haben sich ausgezahlt und sind ein weiterer Beleg dafür, dass Offenheit und Kommunikation wichtige Aspekte sind.


Welche Ziele hast Du Dir als CDO für die digitale Transformation Hamburgs gesetzt und wie stellst Du Dir eine "digitale Stadt" vor?


Für mich gibt es verschiedene Ebenen bei der Weiterentwicklung der digitalen Stadt Hamburg. Zum einen müssen Prozesse innerhalb der Behörden weiter modernisiert werden und zum anderen muss man genau schauen, was Bürgerinnen, Bürger und Wirtschaft an Anforderungen an eine moderne Verwaltung haben. In beiden Bereichen sind wir auf einem guten Weg, was verschiedene Auszeichnungen von externen Institutionen belegen. Für uns sind sie Ansporn, dichter an die Bedürfnisse heranzukommen und noch besser zu werden. Denn wir schauen nicht nur auf die Verwaltung im Sinne von Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger. Unsere Themen sind vielfältig: Moderne Mobilität und gutes Klima, eine stabile Energieversorgung oder ein leistungsfähiges Bildungswesen – das sind nur einige Beispiele, die zeigen, wie digitale Technologie unsere Stadt lebenswerter machen kann. 

Bei vielen Projekten, die Hamburg vorantreibt, ist es wichtig, dass diese nicht an der Landesgrenze Halt machen. Wir haben den Anspruch, dass Lösungen aus Hamburg auch von anderen genutzt werden können, ebenso haben wir einen Blick auf die Entwicklungen anderer Bundesländer, was digitale Lösungen angeht. 


Welchen Rat würdest Du jungen Fachkräften geben, die eine Karriere im IT-Bereich anstreben und vielleicht auch eine Führungsrolle, wie Du sie innehast, erreichen möchten?


Junge Generationen sind anders sozialisiert und mit Digitalisierung aufgewachsen. Diese, zum Teil spielerische Herangehensweise, muss man sich klar machen und einen professionellen Zugang bekommen. Wer sich für die Themen IT und Digitalisierung oder ähnliches interessiert, steht dem stetigen Wandel offen gegenüber und hat Interesse, diesen aktiv mitzugestalten. 

Oft treffen Kräfte der Innovation auf Menschen und erzeugen einen Druck zur Transformation, hier muss man den Überblick behalten und ausgleichend wirken, so dass ich auch zu Gelassenheit rate, um Akzeptanz und gute Ergebnisse zu erreichen. Kommunikation und Transparenz spielen eine wichtige Rolle. Man muss eine gewisse Resilienz an den Tag legen, ohne die Ziele aus den Augen zu verlieren. So wird man auch Beharrlichkeit und Festhalten an bestehenden Strukturen überwinden können. Denn: Digitalisierung lässt sich nicht aufhalten, aber gestalten!

Ich bin im Dialog mit IT-Trainees, die wir bei der Stadt beschäftigen und die ihre erste Station bei mir im Amt machen. Abseits der generellen Erwartungen nehme ich zunehmend wahr, dass es neben dem digitalen Pioniergeist auch um sinnstiftende Aufgaben geht und die Gesellschaft mitgedacht wird, also der Nutzen für das Gemeinwesen im Vordergrund steht. Es ist gut zu erleben, wie diese Einstellung Einzug hält. 


Als Gründungsmitglied im Vorstand des IT-Executive Clubs hast Du eine aktive Rolle bei der Gestaltung und Entwicklung des Clubs. Was motiviert Dich zu diesem Engagement und was wünscht Du Dir für den Club in der Zukunft?


Es ist schön zu sehen, dass sich der IT-Executive Club sehr dynamisch entwickelt und immer offen für neue Ideen ist. Hier kommen großartige Menschen zusammen, die für echten Austausch stehen – für mich ein Konzept, das trägt. 

Ich freue mich, wenn wir weiterhin attraktiv für neue Mitglieder sind, aber auch, wenn Mitglieder sich aktiv an der Gestaltung unserer Treffen beteiligen und neue Ideen einbringen.

Besondere Bedeutung hat für mich der ITEC Cares Award, der eine wichtige Komponente des IT-Executive Clubs ist. Die Würdigung gesellschaftlichen Engagements kommt in der heutigen Zeit manchmal etwas zu kurz und so ist es richtig und gut, dass wir ein Zeichen setzen.


Lieber Christian, vielen Dank für diesen interessanten Austausch! Zum Ende vielleicht nocht ein entweder-oder?