In unserem „An der Alster-Talk“ präsentieren wir in regelmäßigen Abständen Mitglieder des IT-Executive Clubs in einem kurzen Interview. Dabei stellen wir den CIOs aus dem Norden Fragen zu ihrer Arbeit oder ihrem Unternehmen und bitten um ihre Einschätzung zum IT-Standort Hamburg und zum IT-Executive Club.

 

In dieser Ausgabe sprachen wir mit Oliver Gebien, CIO bei Montblanc, am Steg an der Alster über seinen Weg in die Informationstechnologie, die entscheidenden Eigenschaften eines erfolgreichen CIOs und seine Gedanken zur Hansestadt.


 

Name: Oliver Gebien

Unternehmen: Montblanc

Position: CIO

 

Interview geführt von: Franziska Schmottlach


Lieber Oliver, erzähl doch mal: Wie bist Du zur IT gekommen? Warst Du schon immer im IT-Bereich tätig? 


Ganz im Gegenteil. Ich hatte vor meiner Zeit bei Montblanc in einer Unternehmensberatung und dann einige Jahre bei Microsoft gearbeitet, war dort aber im Digitalbereich und Business Development tätig. Seit 20 Jahren bin ich bei Montblanc in Hamburg - erst als Referent der Geschäftsführung und anschließend lange im E-Commerce. Ich durfte mit meinem Team das globale Online Business aufbauen, und das hat natürlich neben allen Aspekten von Vertrieb, Digital Marketing und Operations auch die ganze Palette der Web-Technologien, Plattformen, CRM, Analytics usw. abgedeckt. Wir haben lange Zeit eine proprietäre Architektur zusammen mit unserer Konzern-IT entwickelt und mich hat dabei immer begeistert, wie gute Technologien und Systeme helfen können, eine herausragende User Experience zu schaffen sowie das Leben von Kund*innen, Lieferant*innen oder Mitarbeitenden einfacher zu machen.  

Und ich war stets davon überzeugt, dass nur eine interne IT-Abteilung in der Lage ist, das Wachstum von Montblanc mit Daten, Prozessen und kundenzentrischen Lösungen nachhaltig zu unterstützen. Diese Fachabteilung ist auch prädestiniert dazu, die notwendigen Transformationen als quasi neutrale Instanz durchzusteuern. Als ich nach knapp 10 Jahren E-Commerce eine neue Herausforderung suchte, habe ich in 2020 – mitten in der Corona-Zeit – die Leitung der Montblanc IT übernommen. Und zwar von meiner Vorgängerin Silke Kunert, die viele hier im IT Executive Club sicherlich noch gut kennen. Das war ein ordentlicher Sprung ins kalte Wasser und ich habe bisher keinen Tag bereut.

 


Du hast in unserem Vorgespräch erwähnt, dass Du Dich mit Themen und Prioritäten befasst, die untypisch für die Branche sind – insbesondere in einer Industrie, die IT nicht immer als strategisch relevant ansieht. Was genau meinst Du damit? 


Montblanc ist ein Unternehmen in der Luxusgüterindustrie – wir sind in erster Linie eine Marke, stellen all unsere Produkte selbst in Europa her und sind weltweit sowohl mit eigenen Boutiquen als auch im Fachhandel vertreten. All unsere Energie und Ressourcen gehen vorwiegend in die Kreation unserer einzigartigen Produkte - am Standort Hamburg konkret in Schreibgeräte. Darüber hinaus fertigen wir Uhren in unseren eigenen Manufakturen in der Schweiz, sowie Leder-Kollektionen in Italien. Die Marke, die Produkte, das Einkaufserlebnis, der Service – das sind die wichtigsten Assets von Montblanc, und das ist gut und richtig so. 

Die Montblanc IT fungiert primär als klassische Support-Funktion und stellt sicher, dass alle Fachabteilungen effizient arbeiten können. Wir sind verantwortlich für die gesamte Infrastruktur, Security, Geschäftsprozesse (viel SAP...), Applikationen sowie den Support am Standort Hamburg. Insgesamt betreuen wir etwa 1.000 User in den Bereichen Produktion, Logistik und Verwaltung im HQ. 

Das ist unsere Kernfunktion und unser Team ist dann erfolgreich, wenn alles läuft, die Performance stimmt und es keine kritischen Unterbrechungen im Tagesgeschäft gibt. Das gelingt uns zum Glück fast jeden Tag. 

 

Wir laufen im Team aber auch eine große Transformation durch und stellen uns für neue Themen auf, die in Zukunft auch viel wichtiger fürs ganze Unternehmen werden. So haben wir z.B. ein „Digital Collaboration“ Team geschaffen, das sich zur Aufgabe setzt, die Zusammenarbeit zwischen allen Fachabteilungen zu verbessern und die Workplace Productivity deutlich zu erhöhen. Weniger Meetings, weg mit E-Mail, Excel, Papier und Formularen (obwohl wir bei Montblanc handsignierte Dokumente lieben 😊). Da wir mit allen Abteilungen gut vernetzt sind und wir alle Prozesse im Haus überblicken, können wir hier mit cleveren Tools, neuen Workflows und Digitalisierungen ein enormes Potenzial heben. 

Ähnlich wichtig ist ein weiteres neues Team innerhalb der IT – unser Project Management Office (PMO). Da wir aus der Historie heraus große IT-Projekte erfolgreich implementiert haben und über die nötigen Skills verfügen, bieten wir dies jetzt dem ganzen Haus an. Und über ein Portfolio Management stellen wir sicher, dass Montblanc die richtigen Ressourcen auf die richtigen Projekte setzt. Damit werden wir unserem vollem Abteilungsnamen gerecht: „IT & Organisation“, und zusammen mit den oben angesprochenen Teams in den Bereichen Infrastruktur, Applikationen, Support ist das ein starkes, zukunftsfähiges Mandat. Ich bin mir sicher, dass wir uns sogar noch stärker in Richtung einer Inhouse Consultancy entwickeln können, die die Einführung und Nutzung von Technologien im gesamten Haus verantwortet.  

 


Wie bringst Du digitale Innovationen mit dem Erbe und der Tradition von Montblanc als CIO in Einklang? 


Die Frage ist durchaus berechtigt, denn wie bereits erwähnt, investieren wir hauptsächlich in die Innovationskraft unserer Produkte. Aber wir verschließen uns keineswegs dem technologischen Fortschritt. Unser Fokus bei digitalen Innovationen liegt in der Produktivität aller Mitarbeitenden sowie in der Optimierung von kritischen Prozessen in der Produktion, Supply Chain, Logistik, Finance. Das ist oft unsichtbar für unsere Kunden, aber essenziell für unsere finanzielle Performance – zum Beispiel in der Reduktion von Beständen durch intelligente Distribution und Lagerhaltung weltweit. Dafür haben wir dedizierte Expert*innen im Team. 

 

Manchmal sind Innovationen aus unserem Team aber auch ganz bewusst sichtbar:  

So haben wir in den letzten Jahren eine eigene Applikation für unsere exklusivsten Boutiquen entwickelt, mit der unsere Kundschaft individuelle Füllfederhalter mit personalisierten Federn auswählen können – immer ein Unikat, angepasst an die unterschiedlichsten Wünsche und Handschriften unserer internationalen Klientel. Solch eine Lösung gibt es nicht auf dem Markt, das ist so speziell, das mussten bzw. wollten wir selbst entwickeln, um den hohen Qualitätsansprüchen zu genügen. 

 


Welche Ziele hast Du dir als CIO bei Montblanc gesetzt? 


Mein Ziel in den ersten 2 Jahren war, in allen wichtigen IT-Themen überhaupt mitreden zu können. Das operative Expertenwissen meines Teams kann ich nicht erreichen, aber ich bin in allen strategischen Überlegungen auf Ballhöhe. Die Tatsache, dass ich aus dem Business kam, hat übrigens viele Vorteile: Ich konnte bei zahlreichen IT-Investitionen die Sinnfrage stellen und schnell eine Brücke zu den Teams in den Fachbereichen bauen. Brückenbauer ist ein passendes Symbol: Ich möchte als CIO eine Business IT führen, die sich stets an den Bedürfnissen unserer internen und externen Kundschaft orientiert. Unsere begrenzten Ressourcen und Budgets müssen Werte schaffen, Risiken minimieren und Lösungen bringen. That’s it.  

Unsere Pyramide der strategischen Ziele ist somit klar definiert:  

1. Den operativen Betrieb sicherstellen.  

2. Die Produktivität aller Mitarbeitenden maximieren und  

3. Unsere Firma zukunftsfähiger machen.  

 

Aber über all dem steht unser Team. Wie jede etablierte IT-Abteilung gehen auch wir durch eine größere Transformation: Zentralisierung von Architekturen durch unsere Konzernmutter (Montblanc gehört zum schweizerischen Richemont-Konzern); Ablösung von monolithischen SAP-Landschaften; Digitalisierung der Produktion; Cloud Computing; IT/OT-Security; Data/KI, und und und – all dies stellt ein Team vor gewaltige Herausforderungen und bringt auch Unsicherheit mit sich, insbesondere durch die VUCA-Welt, in der wir uns seit Jahren befinden. Daher ist mein wichtigstes Ziel, unser Team so aufzustellen, dass wir uns in dieser dynamischen Umgebung trotzdem sicher fühlen können. Vertrauen und Respekt sind entscheidend, das sind für mich die Voraussetzungen für gute Arbeit und Zufriedenheit in unserer Abteilung. 

Ich möchte erreichen, dass die Montblanc IT von allen Fachabteilungen als zuverlässiger und professioneller Partner gesehen wird. Denn das haben wir uns auf die Fahnen geschrieben:

„We help our Montblanc colleagues to succeed”. 

 


Mit welchen Hindernissen oder Bedenken warst Du möglicherweise bei der Umsetzung konfrontiert und wie bist Du damit umgegangen? 


Wir sind Teil eines internationalen Konzerns und die IT ist eine von vielen wichtigen Fachabteilungen. Natürlich konkurrieren wir da bei Budget- und Ressourcen-Entscheidungen mit anderen Ideen und mit anderen Teams. Nicht jeder Entscheidungsträger kann die Herausforderungen und Komplexität einer modernen Business IT nachvollziehen, was völlig in Ordnung ist, weil wir bei Montblanc eine transparente Kommunikationskultur haben. So kommt es auch bei uns vor, dass von uns als wichtig erachtete Themen nicht die gewünschte Priorisierung erhalten. Oder dass wir gute Trends erst zu spät aufnehmen, weil Budgets doch eher in unsere Marke oder Produkte investiert wurden. 

Oft kommen wir da schneller voran, wenn wir kleine Piloten und Testballons starten, in die wir das Business von Anfang an miteinbinden. „Seeing is believing“ – und auf einmal übernimmt der Business Sponsor den IT-Pitch… Und manchmal, wenn wir wirklich vom Business Value einer Idee überzeugt sind, dann muss man einfach mal machen. Natürlich im Rahmen eines verantwortungsvollen Wirtschaftens, aber frei nach dem Motto „Don’t ask for permission, ask for forgiveness“. 

 


Welche Technologien, einschließlich Künstlicher Intelligenz, siehst Du als Game Changer für die Luxusgüterindustrie und wie positioniert sich Montblanc, um durch digitale Transformation Wettbewerbsvorteile zu schaffen?


Ich sehe in erster Linie KI als Game Changer, auch für die Luxusgüterindustrie. Zusammen mit unserer Konzernmutter Richemont arbeiten wir seit 2 Jahren an ersten Piloten, hauptsächlich im Backoffice-Einsatz. Wir gehen dabei jedoch sehr vorsichtig vor und stellen den Vorteilen auch die sehr konkreten Risiken und Sorgen gegenüber. Der Schutz unserer Brand Assets, der Intellectual Property Rights, der Daten von Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern ist unser wichtigster Auftrag. Deshalb hinken wir vielleicht einigen Firmen in anderen Industrien bzw. mit anderen Geschäftsmodellen etwas hinterher. Wir werden KI in den nächsten Schritten auf jeden Fall in der Optimierung von Lieferketten, im Management von Stammdaten oder in der Automatisierung von Service-Anfragen einsetzen. Ich möchte dies jedoch vorerst ausschließen für alle Elemente, die den Kern unseres Unternehmens ausmachen: die Handwerkskunst, die Kreativität, die Qualität, die in unsere Produkte fließen. Und die Experience, die unsere Kunden beim Besuch unserer Boutiquen genießen. Da bleiben wir trotz – oder eher – wegen KI gerne auch in einer analogen Welt, die das Schreiben als Ausdruck einer individuellen Persönlichkeit sieht. Etwas Werbung in eigener Sache: Kommen Sie gerne mal bei uns im Montblanc Haus in Hamburg vorbei, und Sie werden mir zustimmen, dass Schreibkultur auch in Zeiten von KI nicht wegzudenken ist.

 


Warum bist Du beim IT-Executive Club und wie bist Du auf den Club aufmerksam geworden?  


Ich habe die Mitgliedschaft quasi von meiner Vorgängerin übernommen. Als „Nicht-IT’ler“ habe ich am Anfang mit einigen Themen etwas gefremdelt, habe aber von allen Möglichkeiten des Austauschs unglaublich profitieren können. Deswegen bin ich dabei: um zu lernen, um mich mit sehr sympathischen und intelligenten Menschen auszutauschen und vielleicht auch einige Learnings aus meinem Bereich weiterzugeben. Bisher habe ich von jedem Clubabend, vom ITEC Forum oder anderen Veranstaltungen immer etwas mitgenommen. Ich freue mich auf die nächsten Treffen!  

 


Lieber Oliver, vielen Dank für diesen interessanten Austausch! Zum Ende vielleicht nocht ein entweder-oder?