In unserem „An der Alster-Talk“ präsentieren wir in regelmäßigen Abständen Mitglieder des IT-Executive Clubs in einem kurzen Interview. Dabei stellen wir den CIOs und CDOs aus dem Norden Fragen zu ihrer Arbeit oder ihrem Unternehmen und bitten um ihre Einschätzung zum IT-Standort Hamburg und zum IT-Executive Club.

In dieser Ausgabe sprachen wir mit Franz-Helmut Gerhards, CDO bei DAK-Gesundheit und Vorstandsmitglied des IT-Executive Club, am Steg an der Alster über seinen Weg in die Informationstechnologie, die entscheidenden Eigenschaften eines erfolgreichen CDOs und seine Gedanken zur Hansestadt.


 

Name: Franz-Helmut Gerhards

Unternehmen: DAK-Gesundheit

Die DAK-Gesundheit zählt zu den größten gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland und betreut über fünf Millionen Versicherte. Als Vorreiter in der digitalen Transformation im Gesundheitswesen setzt die DAK-Gesundheit auf innovative Lösungen, um die Gesundheitsversorgung zu verbessern und den Versicherten „Digitale Leichtigkeit für ein gesundes Leben“ zu bieten. Durch digitale Services und eine agile Organisationsstruktur gestaltet die DAK-Gesundheit die Zukunft der Gesundheitsversorgung aktiv mit und sorgt für höchste Servicequalität und nachhaltige Gesundheitslösungen.

Position: CDO

 

Interview geführt von: Franziska Schmottlach


Lieber Helmut, erzähl doch mal: Wie bist Du zur IT gekommen? Warst Du schon immer im IT-Bereich tätig? 


Nein, aber ich hatte schon immer ein Faible für Technik und IT. Ursprünglich wollte ich auch mal Informatik studieren, habe mich dann aber für die Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten entschieden. Bei der DAK-Gesundheit habe ich dann fast alle Stationen des klassischen Versicherungsgeschäft nicht nur erlebt, sondern später auch verantwortet. Damit hatte ich einen perfekten Überblick über die Kunden- und Anwenderseite. Nach meinem anschließenden Studium der Betriebswirtschaftslehre habe ich dann in der Zentrale meine berufliche Laufbahn fortgesetzt und verantwortete dort unter anderem den gesamten Organisationsbereich der DAK-Gesundheit. Dazu gehörten auch das IT-Anforderungsmanagement und sämtliche IT-Entwicklungsprojekte.  
 
An der Ausgründung der DAK-IT in die Bitmarck GmbH war ich elementar beteiligt und verantwortete die Firmenzusammenschlüsse und Verschmelzungsprozesse von sechs IT-Firmen. Heute fungiere ich dort als alternierender Aufsichtsratsvorsitzender und atme tagtäglich die IT-Luft ein.   
 
Damit schloss sich auch der Kreis zur IT. Ausgestattet mit all diesen Erfahrungen und Kenntnissen habe ich 2017 die Rolle des Chief Digital Officers eingenommen und verantworte heute sowohl die digitale als auch die agile Transformation des Unternehmens. Die DAK-Gesundheit war übrigens die erste bundesweite Krankenkasse, die der steigenden Bedeutung der Digitalisierung mit dieser organisatorischen Konsequenz, also der Einrichtung einer CDO-Position, begegnet ist. 

 


Als CDO bei der DAK-Gesundheit hast Du die Verantwortung für die digitale Transformation des Unternehmens. Welche strategischen Ziele hast Du dir für diesen Transformationsprozess gesetzt? 


Unsere Digitalisierungsvision lautet: „Digitale Leichtigkeit für ein gesundes Leben“ 
 
Unser Ziel ist es, dass die DAK-Gesundheit die heutigen und zukünftigen digitalen Erwartungen der Kunden kennt und bedient. Begründet ist diese Ambition darin, dass digitale Vorreiter branchenübergreifend mit digitalen Services Maßstäbe setzen und Kunden diese – teils hohen – Anforderungen auf andere Unternehmen und somit auch auf die DAK-Gesundheit übertragen. Dazu zählen beispielsweise Erfahrungen im schnellen Online-Einkauf oder durch einfache Usability. Insbesondere bei jüngeren Zielgruppen werden positive Service-Erfahrungen und vereinfachte Inanspruchnahme von Leistungen ein zunehmend wichtiges Kriterium bei der Wahl des Versicherers. 
 

Die Bedürfnisse anschließend zu erfüllen und im Rahmen der Leistungserbringung bei Kunden eine positive Service-Erfahrung zu hinterlassen, sind die übergeordneten Ziele der Digitalisierungsstrategien der DAK-Gesundheit. Gleichzeitig geht es für die DAK-Gesundheit darum, ein optimiertes Leistungs- und Versorgungsmanagement zu erreichen. Davon profitieren die Kunden, deren Versorgungspfade so optimiert werden. 
 
Ein weiteres strategisches Schwerpunktthema ist es, die DAK-Gesundheit in eine hybride Welt aus agiler und klassischer Organisation zu wandeln. Dabei ist keine der beiden Organisationsformen „wichtiger“ oder „moderner“ als die andere. Wichtig ist es vielmehr, das zielführende Vorgehen für die jeweilige Herausforderung anzuwenden, um eine angemessenen Reaktions- und Gestaltungsfähigkeit in der VUCA-Welt sicherzustellen. 

 


Welche konkreten Initiativen oder Projekte hast Du bisher angestoßen, um diesen Transformationsprozess voranzutreiben?


Die Digitalisierung ist nicht weniger als eine wirtschaftliche und kulturelle Revolution. Visionäre bieten mit ihren Unternehmen neue Möglichkeiten, die von der breiten Masse der Gesellschaft angenommen werden – oder eben nicht. Dieser Prozess läuft teilweise in einer atemberaubenden Geschwindigkeit und man muss als Unternehmen ständig bereit und fähig zum Wandel sein.  
 
Um ein Unternehmen, insbesondere in der Größenordnung der DAK-Gesundheit mit über 10.000 Beschäftigten, fit zu machen, braucht es eine Keimzelle für die Transformation. Das ist bei uns die 2017 aufgebaute Digitale Fabrik, die seitdem unter meiner Steuerung daran arbeitet, die DAK auf den unterschiedlichsten Ebenen in die digitale Welt zu führen. Wir orientieren uns dabei am Transformationsrad nach Dr. Willms Buhse und versuchen, alle notwendigen Ebenen gleichermaßen zu berücksichtigen. Das gelingt uns mittlerweile extrem gut. Die Digitalisierung wird längst als Aufgabe des gesamten Unternehmens verstanden – und nur so kann die digitale Transformation gelingen. 

 

Damit sich ein so großer Tanker wie die DAK-Gesundheit überhaupt bewegen kann, ist es notwendig, den Digitalisierungsgrad sichtbar zu machen. Das haben wir im Allgemeinen geschafft, indem wir auf vielen Ebenen im Unternehmen Umfragen zum digitalen Reifegrad durchgeführt haben. Zusätzlich messen und reporten wir auch die Kundensicht auf einzelne Touchpoints, die wir im Übrigen weitestgehend selbst entwickeln. Damit haben wir eine Gesamtsicht erzeugt und mit der Geschäftsleitung, also allen Geschäftsbereichen, konkrete Maßnahmen definiert, um den Reifegrad und die Produktzufriedenheit zu erhöhen. 
 
Darüber hinaus war es wichtig, die Bedeutung der Digitalisierung nicht nur in der Zentrale zu committen, sondern im gesamten Unternehmen. Deshalb haben wir Ziele zur digitalen Transformation gut sichtbar in der Unternehmensstrategie verankert und breit angelegte Kommunikationsmaßnahmen aufgesetzt. 
 
Aktuell arbeiten wir intensiv daran, unsere Mitarbeitenden im Umgang mit Ambidextrien zu stärken. Dazu haben wir ein Agile Center aufgesetzt, das Schulungsangebote erarbeitet und mit weiteren geeigneten Formaten (z. B. Communities of Practice) dabei unterstützt, dass sich unsere Kolleginnen und Kollegen in einer hybriden Welt zwischen agiler und klassischer Organisation der effizientesten Prozesse bedienen, in Customer Journeys denken oder die Möglichkeiten des digitalen Ökosystems nutzen.


Welche Hindernisse oder Widerstände hast Du möglicherweise bei der Umsetzung dieser Transformation erlebt und wie bist du damit umgegangen?


Es ist wie immer, wenn Menschen neue Wege gehen. Einigen fällt das leicht und sie entwickeln schnell Begeisterung für das Neue. Andere tun sich eher schwer. Bei denen war es notwendig, das Feuer erst zu entfachen. Meine Fähigkeit als Erklärer und Begeisterer war hier besonders gefordert. Glücklicherweise hat sich bei der DAK-Gesundheit schnell die Überzeugung durchgesetzt, dass die digitale Transformation alternativlos ist. So konnten wir schnell ins Handeln kommen und unsere digitale Strategie auch realisieren.

 


Mit welchen Hindernissen oder Bedenken warst Du möglicherweise bei der Umsetzung konfrontiert und wie bist Du damit umgegangen? 


Es ist wie immer, wenn Menschen neue Wege gehen. Einigen fällt das leicht und sie entwickeln schnell Begeisterung für das Neue. Andere tun sich eher schwer. Bei denen war es notwendig, das Feuer erst zu entfachen. Meine Fähigkeit als Erklärer und Begeisterer war hier besonders gefordert. Glücklicherweise hat sich bei der DAK-Gesundheit schnell die Überzeugung durchgesetzt, dass die digitale Transformation alternativlos ist. So konnten wir schnell ins Handeln kommen und unsere digitale Strategie auch realisieren.

 


Was ist entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung eines Transformationsprozesses in der IT innerhalb (D)eines Unternehmens?


Wir brauchen eine enorme Handlungsgeschwindigkeit. Dies ist nur leistbar mit einer ausreichende Methodenkompetenz und den passenden organisatorischen Rahmenbedingungen. Unsere Roadmap ist prall gefüllt mit Themen, die wir umsetzen. Wir erfüllen Fristen zu den digitalen gesetzlichen Themen und haben darüber hinaus wichtige nicht-gesetzliche Themen, von der Ablösung analoger Prozesse bis hin zu ganz neuen digitalen Leistungsangeboten für unsere Versicherten. Die Digitalisierung zieht sich mehr und mehr durch alle Geschäftsbereiche, wir befinden uns in einem stetigen Transformationsprozess. Historisch gewachsene Strukturen treffen auf eine Zeit, die zunehmend geprägt ist von einem schnellen Wandel und kürzer werdenden Innovationszyklen. Wir gestalten bereits seit Jahren die digitale und agile Transformation. Hier gilt es natürlich, unsere Mitarbeitenden mitzunehmen, zu schulen und für diesen Wandel zu begeistern. Wichtig ist für uns die agile Arbeitsweise dort einzusetzen, wo sie ihre Vorteile entfalten kann. 
 
Ebenso bedeutsam wie die aktuellen Anforderungen ist der Blick in die Zukunft. Es ist längst klar, dass das spannende Thema der KI neue Herausforderungen mit sich bringt. Diesen haben wir uns bislang vor allem in unserer vor einigen Jahren gegründeten KI-Fabrik gewidmet. Längst ist KI aber kein Nischenthema mehr. Vielmehr haben die Entwicklungen der generativen KI als Assistenzsysteme den Arbeitsalltag aller Beschäftigten erreicht. Hier stehen wir also dem nächsten Bedarf an Qualifikations- und Changemaßnahmen gegenüber. 

 


Was sind heute die entscheidenden Attribute für einen erfolgreichen CDO?


Eine Kerneigenschaft, die ein CDO benötigt, ist es, Begeisterung zu erzeugen und Visionen zu entwickeln. Wenn das nicht im ersten Versuch gelingt, braucht es Überzeugungskraft, Ausdauer und Widerstandsfähigkeit. Am Ende sind das aber Attribute, die allen Menschen, die ein Unternehmen verändern wollen, gut zu Gesicht stehen. Der Wunsch, Gewohntes beizubehalten, existiert ja nicht nur im Themenfeld der Digitalisierung. Ich musste viele Gespräche führen und Argumente austauschen, bis der Weg der digitalen Transformation ganz konsequent eingeläutet werden konnte. Heute führe ich deutlich weniger solcher Diskussionen. Wir haben 2023 erstmalig digitale Ziele in der Unternehmensstrategie vereinbart. Das zeigt, wie bereit die DAK-Gesundheit für den Wandel ist.

 


Was macht Hamburg als IT-Standort besonders? Was wünscht Du dir für den IT-Standort Hamburg? 


Hamburg ist ein einmaliger Standort, der Wirtschaftskraft, innovative Unternehmen, Politik und den Bildungssektor erfolgreich verbindet. Zudem ist Hamburg ein Standort mit extrem hoher Lebensqualität. Das Umfeld ist in Summe ideal, um eine hohe Anziehungskraft auf IT-ler zu erzeugen. Der ITEC legt besonderen Wert darauf, die Innovationskraft der Start-up-Szene stärker zu fördern und IT-Wissen bereits in den Schulen zu verankern. Ein weiteres Anliegen ist die gezielte Ansprache von Frauen für IT-Berufe, um bestehende Barrieren abzubauen. Mit verschiedenen Initiativen setzen wir uns im ITEC genau für diese wichtigen Themen ein.

 


Welchen Rat würdest Du jungen Fachkräften geben, die eine Karriere im IT-Bereich anstreben und vielleicht auch eine Führungsrolle, wie Du sie innehast, erreichen möchten? 


In der heutigen Zeit ist es wichtig, IT- und Business-Verständnis zu entwickeln, da die IT zunehmend zum Treiber des Business wird. Die zukünftigen IT-Jobs werden auf der Führungsebene dieses Knowhow erfordern. Zudem müssen junge Menschen als IT-Führungskräfte in der Lage sein, klassisches und agiles Arbeiten zu beherrschen sowie Innovationsfähigkeit auch organisatorisch und methodisch zu beherrschen.

 


Als Vorstandsmitglied des IT-Executive Clubs hast Du eine aktive Rolle bei der Gestaltung und Entwicklung des Clubs. Was ist die Motivation für das Engagement und was wünscht Du dir für den Club in der Zukunft?


Mich motiviert immer wieder der vertrauliche Austausch der Club-Mitglieder untereinander sowie die damit verbundene und auch im Feedback artikulierte Zufriedenheit unserer Mitglieder. Wir sind eine einzigartige, fast schon familiäre Netzwerkplattform lauter Experten. Weiterhin finde ich es toll, dass wir dies alles ohne „Kauf-/Beratungszwang“, also ohne vertriebliche Aktivitäten, realisieren.  
 
Für den Club wünsche ich mir, dass wir weiterhin stabil wachsen und diese Gemeinschaft auch zukünftig viel Freude an den Events und dem Austausch haben wird. 


Lieber Helmut, vielen Dank für diesen interessanten Austausch! Zum Ende vielleicht nocht ein entweder-oder?