In unserem „An der Alster-Talk“ präsentieren wir in regelmäßigen Abständen Mitglieder des IT-Executive Clubs in einem kurzen Interview. Dabei stellen wir den CIOs und CDOs aus dem Norden Fragen zu ihrer Arbeit oder ihrem Unternehmen und bitten um ihre Einschätzung zum IT-Standort Hamburg und zum IT-Executive Club.

In dieser Ausgabe sprachen wir mit Karen Paul, CIO bei Greenpeace e.V., am Steg an der Alster. Wie gestaltet man digitale Transformation nachhaltig? Welche Herausforderungen und Ziele verfolgt Karen in ihrer Mission für eine wertebasierte IT? In dem spannenden Interview spricht Karen über internationale Projekte und ihre Vision, Technologie im Einklang mit Umwelt und Gesellschaft einzusetzen.

 

Name: Karen Paul

Unternehmen: Greenpeace e.V. 

Position: CIO

 

Interview geführt von: Franziska Schmottlach


Als CIO bei Greenpeace liegt Dein Fokus auf der digitalen Transformation. Welche konkreten Initiativen oder Projekte hast Du bisher angestoßen, um diesen Transformationsprozess voranzutreiben? 


Greenpeace ist ja international aufgestellt, in 55 Ländern aktiv und auch unterwegs auf Schiffen oder an abgelegenen Orten. Internationale Zusammenarbeit und ortsunabhängiges Arbeiten setzen da einen Rahmen. Ich habe daher sehr früh die Transformation unserer Anwendungen Richtung Cloud vorangetrieben und Altsysteme konsequent abgelöst, so dass zu Corona-Zeiten alle Teams problemlos remote arbeiten konnten. 

In einem internationalen Projektteam habe ich eine globale Technologie-Vision mit unterstützenden kollaborativen Strukturen für Budgets, Strategieberatung, shared data services etc. mitentwickelt, an der sich alle weltweiten Greenpeace-Büros ausrichten, Unterstützung bekommen und voneinander lernen können. Die fortlaufende Umsetzung und Weiterentwicklung der Technologie-Vision steuern wir jetzt im Global Leadership Team on Technology. 

Seit 2023 definieren wir bei Greenpeace Deutschland keine separaten IT- oder Digital-Strategien mehr ….es gibt ja schließlich auch keine Papier-Strategie ;-) Transformation (nicht nur digital) wird für alle Teams quartalsweise via OKR-Methode organisationsweit geplant und gemeinsam priorisiert. Die IT ist somit auf Augenhöhe mit den anderen Organisationsbereichen von Anfang an integriert und gestaltet fachliche Roadmaps und daraus abgeleitete Projekte mit.  

 


Gibt es Projekte oder Initiativen in Deiner Laufbahn, die Dich besonders geprägt haben oder auf die Du besonders stolz bist? 


Seit einigen Jahren arbeite ich z.B. zusammen mit unserem Bildungsteam daran Umweltauswirkungen von digitaler Transformation zu verstehen und aufzuzeigen. Wir veröffentlichen und aktualisieren seit 2022 Bildungsmaterial zu Digitalität und Nachhaltigkeit. Heute wissen junge Leute, welche Ernährung oder Mobilität welche Umweltauswirkungen hat. Ich möchte dazu beitragen, dass zukünftig auch die Auswirkungen der IT auf unsere Lebensumwelt zum Allgemeinwissen wird. Das sehe ich als große Herausforderung. Denn um dieses Thema glaubwürdig nach außen zu vermitteln, müssen wir es erst einmal bestmöglich intern umsetzen. 

Aus verschiedenen globalen Projekten - gerade auch mit Fokus auf Know How-Austausch - habe ich viel Motivation gezogen. Sei es bei einer Cross-NGO- Konferenz zu digitaler Transformation oder bei einem früheren Arbeitgeber, wo ich ein Programm geleitet habe, zwischen verschiedenen Länderorganisationen in ähnlichen Kundensituationen Software-Komponenten stärker wiederzuverwenden. Es gibt einfach unglaublich viele inspirierende Tech-Leute überall auf der Welt und alle sprechen eine gemeinsame Tech-Sprache.  

Bei einem früheren Arbeitgeber haben wir mal innerhalb von sechs Monaten ein erfolgreiches Startup hochgezogen, das Marke/Design, Webplattform, Büro und operatives Team umfasst hat. Es hat mich selbst überrascht und beeindruckt, wie viel man als kleines eingespieltes Team auch in einem eher behäbigen Umfeld schaffen kann.  

 


Welche Ziele hast Du dir als CIO für Greenpeace gesetzt? 

 


Das kann ich leicht mit unserer Team Mission beantworten:  

"Die ICT [Informations- und Kommunikationstechnologien] verhilft fachübergreifend und global integriert mit Methode zum Erfolg. Mit Begeisterung berät sie fundiert und gestaltet nutzbringende innovative Lösungen (mit & ohne Wow-Effekt)." 

Also gerne technologisch inspirierend, aber manchmal muss es auch ohne Wow-Effekt einfach permanente, sorgfältige, verlässliche und konsequente Arbeit sein. 

 


Welche Hindernisse oder Bedenken hast Du möglicherweise bei der Umsetzung dieser Ziele erlebt und wie bist Du damit umgegangen? 


Da wir IT-Infrastruktur und -Anwendungen für alle Teams im Haus bereitstellen, habe ich einen guten Überblick. Manchmal braucht es vermehrt Gespräche und eine gewisse Resilienz, nicht zu schnell Zwischenlösungen umzusetzen, wenn einzelne Teams nur aus ihrer Fachperspektive Projekte anstoßen. Ich finde es hilfreich, hier mit einer guten Balance aus klar definierten Tests und paralleler strategischer IT-Architektur zu arbeiten.    

Bei der Einführung neuer Technologien habe ich gute Erfahrungen mit breiten Schulungsangeboten, aber unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Implementierung gemacht. Wenn jemand aus der Geschäftsführung an allgemein angebotenen Prompt-Workshops teilnimmt, zeigt das, dass Technologie nicht nur ein Thema für die IT-Nerds, sondern auch Chefsache ist. 

Wenn dann später einzelne Teams vorangehen und zufrieden oder sogar begeistert berichten, wo ihnen Technologie wirklich geholfen hat, ist der weitere Rollout wesentlich einfacher. 

 


Wie lassen sich deiner Meinung nach Digitalisierung und Nachhaltigkeit im Hinblick von Umwelt- und Klimaschutz sinnvoll miteinander vereinen? 


Ich versuche optimistisch zu bleiben, dass sinnvoller und zielgerichteter Technologieeinsatz positiv für die Umwelt und das Gemeinwohl ist - gerade bzgl. Reduzierung von Materialeinsatz durch Kreislaufwirtschaft oder Minimierung von physischen Transportwegen.  

Es frustriert mich schon, dass die großen Tech-Konzerne gerade alle ihre Klimaversprechen reißen, von ihren fossilfreien Transformations-Pfaden abweichen und in Atomkraftwerke investieren wollen. Damit werden die ökologischen Kosten an die Gesellschaft vergemeinschaftet und leider treffen die ökologischen Auswirkungen meist die Personen am härtesten, die am wenigsten von den Gewinnen profitieren. Statt eines reinen monetären Return on Investment braucht es gerade bei Technologieeinsatz eine ganzheitliche 'Return of Gemeinwohl'-Betrachtung.  

Meine Hoffnung liegt derzeit auf den steigenden CO2-Preisen und zunehmend verpflichtendem ESG-Reporting. Dadurch werden hoffentlich Informationssysteme und Daten bereitgestellt, die Umweltaspekte stärker in wirtschaftliche Entscheidungsprozesse integrieren. Gerade KI sollte meines Erachtens nur eingesetzt werden, wenn man Kosten und Nutzen von Use Cases auch ökologisch und sozial monitoren kann.  

 


Greenpeace steht für eine klare Mission. Wie beeinflusst diese Mission Deine tägliche Arbeit als CIO, und inwiefern hat sie Deine Perspektive auf digitale Innovationen und technologische Entscheidungen geprägt? 


Im Endeffekt betreiben wir eine wertebasierte IT. Im täglichen Doing heißt das permanent Ziel- und manchmal auch Wertekonflikte abzuwägen und zu entscheiden:  

Eine Software-as-a-Service Lösung ist vielleicht kostengünstig, sehr benutzerfreundlich und sehr hilfreich für Kampagnenarbeit, läuft aber eventuell auf Servern, die nicht mit erneuerbarer Energie betrieben werden.  

Ein IT-Dienstleister hat hervorragende Kompetenzen und tolle Angebote, arbeitet aber auch für umweltzerstörende Ölkonzerne. 

Als Konsequenz treffen wir auf dieser Basis auch für uns unbequeme Entscheidungen. 

IT ist auch ein "Kampagnen"-Team, weil wir allein durch unseren Einkaufsprozess schon manche IT-Lieferanten bewegen konnten, sich nachhaltiger aufzustellen. 

 


Welche wesentlichen Attribute sind für einen erfolgreichen CIO von Bedeutung? 


Eine CIO sollte neugierig & lernbereit sein, um Impulse von Außen zu bekommen und zu geben;kreativ & fantasievoll, um sich die Zukunft vorstellen zu können und empathisch & kooperativ, um Veränderungen zu bewirken. 

 


Warum bist Du beim IT-Executive Club und wie bist Du auf den Club aufmerksam geworden?  


Ich schätze den offenen und vertrauensvollen Umgang miteinander. Es inspiriert, sich mit Personen in einer ähnlichen Position auszutauschen und Ideen zu entwickeln. Raphael Vaino hat mich damals im Rahmen der Hamburger IT Strategietage angesprochen und seit dem ersten Clubtreffen, wo ich das Miteinander und die kollaborative Club-Kultur erleben durfte, bin ich gerne dabei. 

 


Liebe Karen, vielen Dank für diesen interessanten Austausch! Zum Ende vielleicht nocht ein entweder-oder?